Herbstpfarrbrief 2016

Geistliches Wort zum Hl. Jahr

Barmherzigkeit lernen

Papst Johannes Paul II. hat im Jahr 2000 dem zweiten Sonntag nach Ostern, dem Weißen Sonntag, einen weiteren Beinamen gegeben: Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Es war ihm ein persönliches Anliegen aus eigener Gebetserfahrung. Papst Franziskus hat das ganze Kirchenjahr unter den Begriff der Barmherzigkeit gestellt. Doch was verstehen wir eigentlich darunter? Ich möchte mit Ihnen diesen Begriff näher anschauen.

Im dem Wort Barmherzigkeit stecken die Wörter „ arm “ und „ Herz “. Das „ B“ wurde später dazu gefügt, um das Wort besser aussprechen zu können. Ähnlich ist es mit dem Wort „warmherzig“ geschehen, das eine Seite der göttlichen Barmherzigkeit beschreibt.

Die Bedeutung des Wortes meint: ein Herz für die Armen haben. Das scheint einfach und schlüssig zu sein, doch was versteht Jesus unter „arm“? Er selber spricht in diesem Zusammenhang von Zöllnern, Sündern und Kranken. Und in der Apostelgeschichte wird uns heute berichtet, dass die Jüngerinnen und Jünger nach der Auferstehung Jesu dadurch auffielen, dass sie sich Kranken und Menschen, die sich seelisch gequält fühlten, zuwandten und sie heilten. Man brachte Kranke und von unheiligen Geistern Gequälte, die alle geheilt wurden.

Im Griechischen steht für das Wort heilen „ therapeuein“ , was ursprüng-lich dienen bedeutete. Dienen ist eine Vorstufe der Barmherzigkeit, denn ohne die Bereitschaft zu dienen, können wir nicht barmherzig werden. Wir verstehen heute unter dem Begriff „arm“ meistens das Fehlen von Geld und damit verbunden das Fehlen von Lebensmitteln, Fehlen von Arbeit, usw. also Mangel an leiblichen, materiellen Gütern. Da wir aber in einem Sozialstaat leben, fehlt es an diesen Dingen meistens nicht. Der erste Teil des Wortes Barm-herzigkeit wäre damit uns abgenommen. Aber wie steht es mit dem „herzig“?

Was erwartet Jesus von uns heute? Er spricht einmal im Matthäusevan-gelium davon, dass wir Barmherzigkeit erst lernen müssten ( Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer ). Er kennt seine Zuhörer und weiß, dass sie zwar Geld und Sachspenden geben, also Opfer bringen, aber nach seiner Auffassung nicht barmherzig sind. Das zeigt sich darin, dass sie darüber empört sind, weil er mit Zöllnern und Sündern zu Tisch sitzt, mit ihnen speist, ihnen zuhört und sich mit ihnen unterhält. Für die Pharisäer sind die Menschen, die mit Jesus speisen, Sünder. Woher wissen sie das? Besteht ihr Wissen nicht eher aus Vorurteilen?

Kennen wir das nicht auch bei uns? Wenn eine Bettlerin an der Tür uns ein Papier hinhält, worauf steht, dass das Kind krank sei und sie kein Geld für die Medikamente habe, kommt da bei uns nicht sofort Misstrauen hoch? Ich denke gleich, dass hier gelogen wird. Das sage ich den Bettlern ins Gesicht. Wenn ich dann trotzdem 5 € hinhalte, war ich dann barmherzig?

Barmherzigkeit ist eine besondere Form von Liebe.

Barmherzigkeit ist keine natürliche Eigenschaft des Menschen, sondern eine Eigenschaft Gottes, die wir nur über Jesus Christus erlernen können. Er setzte sich mit Zöllnern und Sündern an einen Tisch, hörte ihnen zu, fragte nach, versuchte zu verstehen.

Wie könnte Barmherzigkeit heute bei uns aussehen , in einer Gesellschaft, in der soziale Absicherung und Fürsorge weithin vom Staat garantiert werden?

Der Alt-Bischof von Erfurt, Joachim Wanke, hat in einer Predigt für unsere Zeit hier in Deutschland sieben Werke der Barmherzigkeit aufgestellt. Sie sind keine Erfindung des Bischofs, sondern er hat Menschen aus der Caritas, aus den Pfarrgemeinden, aus den Verbänden beauftragt, auf der Straße Menschen anzusprechen und zu fragen, was sie heute unter Barmherzigkeit verstehen. Aus den Antworten hat er sieben ausgewählt als Beispiele für die sieben Werke der Barmherzigkeit. Sie könnten vielleicht auch für uns ein Wegweiser sein.

Es beginnt alles damit, dass ich mich einem Menschen zuwende und sage:

1. Du gehörst dazu.

Das Signal, auf welche Weise auch immer ausgesendet, besagt: „Du bist kein Außenseiter!“ „Du gehörst zu uns!“ - z. B. auch in unserer Pfarrgemeinde, am Arbeitsplatz, in der Familie.

2. Ich höre dir zu.

Eine oft gehörte und geäußerte Bitte lautet: „Hab doch einmal etwas Zeit für mich!“; „Ich bin so allein!“; „Niemand hört mir zu!“ Immer mehr alte Men-schen leiden unter Einsamkeit, aber auch Jugendliche brauchen Zuhörer.

3. Ich rede gut über dich.

Ein grundsätzliches Wohlwollen für den Mitmenschen und seine Anliegen und die Achtung seiner Person müssen wir hier entwickeln. Vielleicht gelingt es Ihnen, die schlechte Meinung über jemanden umzuwandeln. Jeder Mensch hat auch gute Seiten.

4. Ich gehe ein Stück mit dir.

„Du schaffst das! Komm, ich helfe dir beim Anfangen!“ Wir können Mut machen, wenn wir von Menschen hören, dass sie sich in einer schwierigen Situation befinden, z.B. bei der Suche nach einer neuen Arbeit oder einer Ausbildungsstelle, wenn ständig Absagen erteilt werden, oder wenn bei der Trauer um den Verlust eines geliebten Menschen Angehörige nicht mehr leben wollen.

5. Ich teile mit dir.

„Geteiltes Leid ist halbes Leid“. Wir können Menschen begleiten, die eine schlechte Diagnose vom Arzt erhalten haben, Menschen, deren Ehe, Partnerschaft vor dem Aus steht, die von ihrem Partner verlassen wurden.

6. Ich besuche dich.

Gehen wir auch auf jene zu, die nicht zu uns gehören. Sie gehören Gott, das sollte uns genügen, um sie aufzusuchen, z.B. ungeliebte Nachbarn, schwie-rige Kollegen, nörgelnde Senioren im Altersheim.

7. Ich bete für dich.

Tun wir es füreinander, gerade dort, wo es Spannungen gibt, wo Beziehungen brüchig werden, wo Worte nichts mehr ausrichten. Gottes Barmherzigkeit ist größer als unsere Ratlosigkeit und Trauer.

Wenn es uns gelingt ein Werk der Barmherzigkeit zu verwirklichen, wird Gottes Barmherzigkeit durch uns erfahrbar und wir werden erfahren, dass die Liebe und Menschenfreundlichkeit in unserem Herzen gewachsen ist. Manchmal spüren wir dann in uns eine unbekannte Wärme aufsteigen: die Warmherzigkeit, ein fast vergessenes Wort.

Das Hl. Jahr ist eine Einladung, die an uns alle ergeht, Papst Franziskus macht bewusst, dass die Barmherzigkeit Gottes seiner Verantwortung für uns entspringt. Er fühlt sich verantwortlich, d.h. er will unser Wohl, und er will uns glücklich sehen, voller Freude und Gelassenheit. „Auf der gleichen Wellenlänge muss die barmherzige Liebe der Christen liegen. Wie der Vater liebt, so lieben auch seine Kinder. So wie er barmherzig ist, sind auch wir berufen, untereinander barmherzig zu sein“ (MV 9). Mit anderen Worten. Auch wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen.

„Das Hl. Jahr soll eine Zeit der Gnade für die Kirche sein und helfen, das Zeugnis der Gläubigen stärker und wirkungsvoller zu machen“ (MV 3).

Es ist sicher richtig, wenn wir das Hl. Jahr mit unserem Gebet begleiten. Das allein ist freilich zu wenig. Der Hl. Vater sagt, es sei notwendig innezuhalten und nachzudenken, umzukehren, wo immer dies nötig ist, mit der Hilfe des Herrn. Er betont ganz besonders die große Hilfe und Bedeutung des Bußsakramentes, das wesentlich zum Hl. Jahr gehört.

Ich wünsche Ihnen allen in diesem Heiligen Jahr 2016 die Fülle der Gnaden, die der Barmherzigkeit Gottes entspringt.

Ihr

 

 

Kpl.Herbstpfarrbrief 2016 als pdf


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