Vorwort Osterpfarrbrief2014

Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder versammelt, und Thomas war dabei. Die Türen waren verschlossen. Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: „Friede sei mit euch!“ Dann sagte er zu Thomas: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ Thomas antwortete ihm: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus sagte zu ihm: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du.
Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben.“
(Joh 20,26-29)
Das Titelbild zeigt den Tabernakel der Erlöserkirche mit den Worten des gläubigen Bekenntnisses des Apostels Thomas:
„MEIN HERR UND MEIN GOTT“
„Der ungläubige Thomas“ ist zum Sprichwort geworden. Zu Unrecht! Denn der Apostel Thomas gehört zu den ganz großen Glaubensgestalten der Christenheit.
Und außerdem: Wem steht es zu, andere als ungläubig zu bezeichnen? Trifft nicht auch hier das Jesuswort zu: „Richtet nicht, damit ihr nicht
gerichtet werdet!“?

Wer ist denn selber im Glauben schon vollendet, dass er sich so ein Urteil anmaßen kann?! Wir sind doch alle, solange wir leben, auf dem Weg des Glaubens und nicht am Ziel, in der Vollendung des Glaubens. Und wenn sich jemand selber schon für so fromm hält, lässt er dann nicht Liebe vermissen, wenn er andere aburteilt? Glaube ohne Liebe ist tot.
Sind Glaubenszweifel so verwerflich?
Geht nicht jeder Glaubende manchmal durch Glaubenszweifel hindurch?
Niemand ist vor Glaubenszweifeln gefeit.
Ist es denn schändlich, schlecht oder gar verdammenswert, wenn jemand so wie Thomas Fragen des Glaubens prüft und nicht einfach unkritisch übernimmt, was ihm von anderen an Überzeugungen vorgesetzt wird?
Ist es denn gleich zu tadeln, wenn jemand „sehen“ und selber Erfahrungen machen will, bevor er wirklich glauben kann? Glaube lässt sich weder erzwingen noch verordnen noch durch einen Willensakt herbeiführen. Glaubensgehorsam ist schon so oft missverstanden worden und schon so oft missverständlich und grausam von Menschen eingefordert und verlangt worden. Dogmatismus im Sinne von „das hast du einfach (blind) zu glauben“ kann sich nicht auf Jesus von Nazareth berufen und ist daher nicht christlich.
Wie liebevoll ist Jesus mit Petrus umgegangen, obwohl dieser ihn verleugnet hat! Wie liebevoll ist der auferstandene Christus den Aposteln begegnet, obwohl sie alle untreu geworden und Jesus auf seinem Kreuzweg davongelaufen sind! Und wie liebevoll und behutsam ist Jesus auf Thomas zugegangen, obwohl er der Auferstehungsbotschaft der anderen Apostel nicht geglaubt hat!
Glauben können ist doch letztlich Geschenk. Und Glauben können beruht auf Erfahrungen. Auch der Glaube unterliegt so wie alles im Leben einem Wachstums- und Reifungsprozess. Niemand kommt mit vollendetem Glauben zur Welt. Gott schenkt uns Zeit, unsere Lebenszeit, zu lernen - auch in Sachen des Glaubens. Zum Lernen gehört Fehler machen dürfen, Irrtümer begehen dürfen, kritisch hinterfragen dürfen, zweifeln und bezweifeln dürfen. Das ist normal!
In der Stelle im Johannes-Evangelium, wird Thomas als einer der Zwölf bezeichnet. Diese Bezeichnung lässt man sehr leicht außer Acht und liest drüber hinweg. Sie ist aber äußerst wesentlich. Denn sie besagt: Thomas gehörte trotz seiner anfänglichen Glaubenszweifel zum Apostelkreis. Er stand mit seinen Zweifeln nicht außerhalb des Kreises. Wegen seiner Zweifel wurden ihm von den anderen keine Vorwürfe gemacht, wurde er nicht verurteilt, wegen seiner Zweifel gingen die anderen zu ihm nicht auf Distanz und schlossen ihn nicht aus ihrem Kreis aus. Das ist der „Geist Jesu“.
Wenn wir vom ungläubigen Apostel Thomas sprechen, so hat dies in der Tradition zumeist einen schlechten Beigeschmack. Irgendwie kommt er bei uns "nicht gut weg". Und doch müssen wir sehen, dass es viele unterschiedliche Personen im Evangelium gibt, die nicht so einfach zum Glauben kommen können. Auch für sie ist der Weg dorthin nicht einfach und bedarf der "Gabe zum Glauben" durch den Auferstandenen selbst.
Ich denke, Thomas ist im Evangelium vielleicht nur einer unter vielen, die ihren ganz persönlichen Zugang zum Glauben an die Auferstehung suchen. Aber einer, in dem wir uns wiederfinden können. Wie oft hätten denn nicht auch wir gerne ein Zeichen, das uns für unseren Glauben Gewissheit geben könnte, es uns einfacher machen würde: in Momenten der Trauer, der Enttäuschung, des persönlichen Scheiterns...
Und so sind wir doch in guter Gemeinschaft mit Thomas,
denn es gibt Mut zu sehen, dass auch er in seinem Glauben wachsen musste und letztlich doch das Glaubensbekenntnis "Mein Herr und mein Gott!" sprechen durfte.
Damit Menschen heute zum Glauben finden, benötigt Jesus Christus uns, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht! Die Zeiten, von denen das Evangelium berichtet, sind schließlich vorbei. Die Zeiten, in denen Jesus Christus leibhaftig durch verschlossene Türen ging und seine Wunden berühren ließ, sind - so leid es uns auch tun mag - ein für allemal vorüber. Auf diese Art und Weise wird heute kaum jemand mehr zum Glauben finden. Anderen Menschen einen Weg zum Glauben zu zeigen, den Thomas, der heute nicht glauben kann, zu überzeugen, das ist zu unserer Aufgabe geworden.
Wenn heute jemand als Christ in dieser Welt lebt, in einer Welt, die alles andere als christlich ist, dann gibt das nicht nur zu denken. Wer so lebt, der ist eine Chance für alle, die selbst nicht mehr glauben können - eine Chance für den modernen Thomas, eine Chance zu spüren, dass da an diesem Jesus Christus etwas dran sein könnte.
Christus geht heute nicht mehr leibhaftig durch verschlossene Türen, um Menschen von sich zu überzeugen. Damit andere an ihn glauben können, benötigt er heute Menschen, Menschen, die mit ihrem Leben Zeugnis geben für diesen Jesus Christus, die in ihrem Leben ganz praktisch verwirklichen, was Christsein heißt – mit allen Konsequenzen, Menschen, die ganz einfach als Christen leben. Denn solch ein Leben, das überzeugt...
Der Geist Jesu ist für jede Pfarrgemeinde, jede Gemeinschaft, die sich christlich nennt, und für die Kirche insgesamt die Grundlage ihres Lebens und Wirkens. Eine Gemeinschaft, die sich formt im „Geiste“ Jesu, schließt niemanden aus. Sie bietet allen Heimat - Anfängern im Glauben ebenso, Menschen mit Glaubenszweifeln ebenso. Sie begleitet Menschen behutsam auf ihrem Glaubensweg. Sie hält es aus, dass Menschen die Botschaft des Glaubens kritisch prüfen und hinterfragen. In ihr werden Menschen nicht bedrängt, sondern finden weiten Raum und werden liebevoll und geduldig gefördert, im Glauben langsam zu wachsen und zu reifen.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familienangehörigen den Geist des Auferstandenen, der uns, wie den Jüngern Jesu, den Mut und die Kraft gibt, die Botschaft des Evangeliums glaubwürdig zu leben und zu bezeugen.

Eine gesegnete Osterzeit

Ihr

Pfarrer Hans-Jürgen Wenner


Kpl.Osterpfarrbrief2014 als pdf


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